27 Jan

Lyrikkeller am Karl Marx Monument in Chemnitz

Was macht dieser Kopf mit der Stadt und ihren Bewohner*innen?

Jetzt, da die Erinnerung noch wach ist, an die Hetzjagten auf „Ausländer“ vom rechten Mob, der sich hier Bahn brach. Auf ewig ist dieser Marxkopf verknüpft mit dem Gefühl der Schande, wenn der jeweilige Mensch ein Herz hat und das noch am richtigen Fleck. Mein Hermes Baby manufactured in der Schweiz liegt dem Karl aus Beton zu Füßen. Klackert munter vor sich hin, angetrieben durch die Eindrücke direkt vor Ort. Ich kann mich einfühlen in den Ort. Imaginieren wie viel negative Emotion , blanker Hass sich hier entladen hat. Als verirrte „Herrenmenschen“ sich im falschen Glauben, dies zu sein, der Szenerie bemächtigten. Heute ist es hier fast menschenleer. Nur vereinzelte Autos ziehen vorbei, erzeugen dösiges Rauschen. Der Uhrzeit entsprechend, steht die Sonne tief. Bündelt ihre letzten Strahlen. Spendet angenehmes Licht für ein Foto mit der Digitalkamera. Im digitalen Bild den Moment festhalten versuchen. Das digitale Bild verstärkt diese Zeilen. Macht es greifbar. Schaue den vereinzelten Passat*innen in die Augen. Versuche auszumachen wo sie sind, diese Nazis? Prozentual könnte es jede 4te sein. Bei diesem Gedanken wird mir dann doch mulmig. Bin ich doch klar und deutlich als „Linker“ erkennbar. Mit dem Parka, der Bollerbux und dem Rauschebart. Sei`s drum. Ihre Welt ist klein wie pollypocket! Mit denen werd ich schon fertig! Hoffentlich nur auf argumentativer Ebene. Ein wenig unwirklich kommt es mir vor, in Wirklichkeit hier zu sitzen. Nicht nur, die Bilder im Netz zu sehen. Hier an diesem Symbolbild für die akute Bedrohung von rechts. Als die Menschheit ihre Menschlichkeit ablegte und ihr hässlichstes Gesicht zeigte. Jenseits des Kontextes ist es durchaus amüsant, dass fast direkt neben dem Monument des Vordenkers des Sozialismus eine große Filiale der Hypovereinsbank ansässig ist. Auf dem Weg vom Bahnhof Chemnitz, die bahnhofstraße entlang, begegnete ich einem Denkmal der SED, dass nun Mahnmal ist. Dort fand ich eine große Inschrift mit den Lettern: „Der Einzelne hat nur ein Paar Augem, die Partei aber hat Tausende…“ und selbst diese enorme Anzahl an Augen scheint dann doch nicht ausgereicht zu haben, den Willen des Volkes zu erkennen….